Rundreise durch den Mittleren Westen

Auf Spuren ostfriesischer Auswanderer

Mit dem Besuch von Steve und Sharon Hanken aus Monticello (Iowa) und der Informationsveranstaltung in Wiesede begannen die Planungen für eine Reise mit dem Motto „Auf den Spuren der ostfriesischen Auswanderer in Amerika“. Zu den Auswanderern gehörten 1850 auch Steve Hankens Ur-Urgroßvater Wessel Hanken aus Wiesede, und seine Frau Talke, geb. Heyen aus Marx. Wessels Vater war damals Inhaber des Gaststätte (heute „Weißes Roß“) in Wiesede. Unter der Leitung von Dr. Wolfgang Grams (Agentur Routes to the Roots) haben sich zweiunddreißig Teilnehmer dazu entschlossen, eine dreizehntägige Rundreise durch die unendlichen Weiten des Mittleren Westen zu machen. Sie besuchten die Schauplätze amerikanischer Geschichte, waren willkommene Gäste bei den Familien und Nachfahren der ausgewanderten Ostfriesen. Sie trafen sich mit Verwandten und knüpften neue Bekanntschaften. Sie stellten fest, dass viele Ältere auch heute noch Plattdeutsch sprechen. Ausgangspunkt für die Rundreise war Chicago. Von dort begann vor über 150 Jahren für viele Auswanderer der beschwerliche Marsch in die Siedlungsgebiete in Illinois, Nebraska, Missouri oder Iowa.

Reisegruppe vor der Stadtkulisse von Chicago

 

Chicago am Michigan See

Die umgebaute historische Börse der Pelzhändler war das gediegene Hotel für die ersten zwei Übernachtungen. Eine Stadtrundfahrt in der „windigen Stadt“, vorbei an die legendären Schlachthöfe, wo jährlich bis zu 12 Millionen Tiere geschlachtet wurden, das Universitätsviertel wo Obama lebte und studierte, oder der Panoramablick mit Sonnenuntergang vom Skydeck des 110-stöckigen Wellis Wolkenkratzers, waren beeindruckende Erlebnisse.

German Valley (Illinois)

Weiter ging die Reise zu der kleinen ostfriesische Siedlung German Valley. Die ersten Siedler kamen im Frühjahr 1847 aus den Gebieten um Leer, aus der Krummhörn und dem Rheiderland. Ethel und Norman Osterloo empfingen die Gäste im Gemeindehaus der reformierten Kirche mit einem kräftigen „Moin“. Viele Familien waren zu dem Treffen gekommen. Die Gäste waren überrascht, dass heute noch viele ältere Menschen Plattdeutsch sprechen können. Nach Austausch der Gastgeschenke (Tee und Kluntje), vielen Gesprächen, einem Besuch auf dem Friedhof, wo die vielen Grabsteine mit ostfriesischen Familiennamen ein historisches Zeugnis sind, ging es weiter nach Grundy Center in Iowa.

Grundy Center (Iowa)

In Wellsburg ist man immer noch sehr stolz auf die ostfriesischer Kultur und Herkunft

Hier warteten Mary Schmidt und Herman Luhring bereits auf die Ostfriesen. Auf dem nahegelegenen Friedhof trugen sie am Grab der Eltern auf Plattdeutsch die überlieferte Auswanderergeschichte ihrer Eltern, Renko und Henrietta Mammen Schmidt vor. Die Familie aus Gödens war 1878 ausgewandert. Das von Mary Schmidt organisierte Ausflugsprogramm führte durch das fruchtbare, monostrukturierte Farmland mit den unendlichen Mais- und Sojafeldern. Der Einsatz von Gentechnisch ist hier selbstverständlich. Die riesigen Produktionsmengen werden in Silotürmen mit Kapazitäten bis 65.000 Tonnen eingelagert. In der Kleinstadt Wellsburg gibt es eine öffentliche Bücherei, die im Besitz aller ostfriesischen Ortssippenbücher ist. Beeindruckend war das Museum der Weltfirma John Deere, größter Hersteller von Traktoren- und Landmaschinen. Dort stand der größte Traktor mit 400 PS zum Preis von 450 000 Dollar. Am Abend hatten rund zwanzig Familien die Gäste in das kleine Heimatmuseum zum Essen eingeladen. Es gab viel zu erzählen – meistens auf Plattdeutsch. Mit einem Lichtbildervortrag haben Dr. Wolfgang Grams und Günter Peters Ostfriesland heute gezeigt. Erfreut waren die Gastgeber als die ostfriesischen Gäste sich als Chor aufstellte, um bekannte ostfriesische Lieder zu singen. Für die musikalische Begleitung hatte Günter Peters eigens seine Handharmonika mitgenommen. Es war für alle ein unvergessliches Treffen.

Monticello (Iowa)

Steve Hanke aus Monticello steht vor dem Denkmal seines Urgroßvaters Wessel Hanken aus Wiesede. Sein Urgoßvater ist auch mütterlicherseits verwandt mit Günbter Peters
Typisches Farmhaus in Iowa inmitten unendlich großer Mais- und Sojafelder

Der nächste ostfriesische Siedlungsort war Monticello in Iowa, wo sich fast nur Familien aus dem Südkreis Wittmund angesiedelt haben. Steve Hanken und seine Freunde hatten ein spannendes zweitägiges Besuchsprogramm vorbereitet. Am ersten Abend waren rund hundert Menschen gekommen. Es gab immer viele Begegnungen mit Verwandten und Bekannten, einige sahen sich sogar zum ersten Mal. Steve Hanken bekam als Dank für die Organisation ein ostfriesisches Teeservice mit Zubehör überreicht. Die Rundfahrt am nächsten Tag führte zu der alten Farm von Wessel Hanken. Der 150 Jahre alte Schuppen symbolisierte noch die harte Zeit. Weiter ging es zur Farm von Familie Ulferts (Milchviehhaltung) und in ein Motoradmuseum. Während des abendlichen Barbecues im Heimatmuseum wurde eine Dreschvorführung mit alten Maschinen aus den 50er Jahren gezeigt. Am nächsten Tag fand zum Abschied der gemeinsame Dankgottesdienst in der Lutherischen Wayne Zions Kirche.

Windmühle aus Felde in Illinois

Die Rückfahrt entlang des Mississippi führte zunächst in die von den Mormonen verlassene Stadt Navoo, danach Übernachtung in Hannibal, die Stadt von Mark Twain und die übliche Dampferfahrt auf dem Mississippi. Unbedingt notwendig war der Besuch im Ort Golden. Dort steht das Wahrzeichen der Ostfriesen in Illinois. Es ist eine Kopie der Windmühle in Felde bei Aurich, die von Henry Emminga 1866 hier aufgebaut wurde.

The Arch: Gateway to the West

Auf dem „Great River Road“ ging es weiter in Richtung Saint Louis (Missouri), zunächst zu der Siedlung Flatville, wo viele Nachfahren der Ostfriesen aus dem Raum Aurich leben. Der herzliche Empfang in der prächtigen „Kathedrale im Kornfeld“, die Wiedersehensfreude und viele Gespräche, machten den Abschied immer schwer. Unterwegs ein Stopp in Chahokia Mounts, der größten prähistorischen indianischen Siedlung, weiter bis Saint Louis. Schon von weitem ist „The Arch: Gateway to the West“, das Symbol für „American Dream“, zu sehen. Hier starteten die Trecks zur Besiedlung des Westens. Das Museum erzählt vom Mythos der „frontier“ und von der Geschichte der legendären Lewis und Clark Expedition. Stadtrundfahrt, Besichtigungen, Übernachtung und weiter zum Flughafen O´Hare in Chicago. Zurück nach Frankfurt.

Das Fazit der Rundreise war eindeutig: Unvergessliche Erlebnisse, Auffrischung verwandtschaftlicher Beziehungen, neue Freundschaften, der Stolz der Menschen auf die Pionierleistungen ihrer Vorfahren und auf ihre alte ostfriesische Heimat. Aber auch auf Amerika. Für sie gilt: „God bless Amerika“

Günter Peters